"Verwilderte" Hauskatzen

Häufige Fragen Zoologie und Tiermedizin der Katze

Birgit Buchholz, Koblenzer Katzenhilfe e.V.

 

Frage: Verwilderte Katzen sind doch Wildtiere und keine Haustiere?

Falsch! „Verwildert“ oder „Wildling“ sollte nicht verwendet werden. Korrekt: „Freilebende Katze (= Hauskatze, die keinen Halter (mehr) hat). Halter ist die Person, der eine Hauskatze zuzuordnen ist (dazu reicht regelmäßiges Füttern auf dem eigenen Grundstück!) Hauskatzen (zoologisch felis silvestris catus) sind das am spätesten und am wenigsten domestizierte Haustier des Menschen (leben seit 10.000 Jahren freiwillig in Nähe menschlicher Siedlungen und sind seit 4.000 Jahren „Haustier“) - inzwischen fast weltweit verbreitet. Vorfahr ist nicht die europäische Wildkatze felis silvestris silvestris, die sich nicht zähmen lässt, sondern eine Verwandte, die lybische Falbkatze des Nahen Ostens (felis silvestris libyca). Nur bei dieser ist genetisch eine Anhänglichkeit gegenüber dem Menschen angelegt! Die Art kam mit dem römischen Weltreich nach Mitteleuropa.

Auch wenn sich freilebende Katzen „wild“ verhalten (flüchten, verstecken, sich wehren) sind es trotzdem Haustiere, die auf die Obhut des Menschen angewiesen sind und in unserem Klima in der freien Natur auf Dauer nicht gesund überleben können (Welpensterblichkeit im Freien: mindestens 50%, häufig tödliche Geburtskomplikationen, laut schwedischer Studie Überlebensdauer von Freilebenden 2 bis maximal 4 Jahre, im Unterschied zur Hauskatze in menschlicher Obhut mit durchschnittlich 15 Jahren).

Frage: Ich habe noch nie freilebende Katzen gesehen?

Das ist natürlich! Bei Hauskatzen sind noch wesentlich mehr Instinkte der wildlebenden Ahnen vorhanden als beim Hund. Die Katze ist ein Kleinraubtier, das theoretisch fressen kann, was nicht größer ist als sie selbst – aber auch natürliche Feinde hat (Fuchs, Dachs, bei Jungtieren Raubvögel, freilaufende Hunde). Bei Verlust des Zuhauses und der menschlichen Bezugsperson (durch Verlaufen, versehentliches Mitfahren in Autos, nach Umzügen, bei Aussetzen oder Zurücklassen) entsteht Verwirrung und Panik. Instinktgesteuert flüchten Katzen und suchen Verstecke auf (Hecken, Holzstapel, Gartenschuppen etc.). Weiterhin ist die Katze dämmerungsaktiv, jagt bevorzugt bei und nach Einbruch der Dunkelheit. Dazu befähigen sie ein spezielles Gehör (10x besser als der Mensch, v.a. bei hohen Frequenzen der Beutetiere) und die besondere Beschaffenheit der Augen (z.B. reflektierende Netzhaut als „Restlichtverstärker“). Das scheue Verhalten wird verstärkt durch den Menschen (fremde Katzen, die zunächst an Türen um Futter betteln, werden verjagt oder Schlimmeres). Katzenmütter geben diese Scheu an ihre freigeborenen Welpen weiter, die dann nur noch während der Prägephase (bis zur 8. Woche) überhaupt zu zähmen sind. Nicht mehr resozialisierbare Hauskatzen müssen „draußen bleiben“ und von Tierschützern an Futterstellen auf Dauer versorgt werden.

Frage: Wo gibt es Kolonien freilebender Katzen?

Katzen sind keine Rudeltiere wie Hunde, sie sind Schleichjäger (nur im Alleingang möglich). Freilebende Katzen schließen sich aber aus Not zu Gruppen zusammen, wo es ungestörte und wettergeschützte Unterschlupfe und vor allem Nahrung gibt = Koloniebildung. Zentrum sind miteinander verwandte unkastrierte Kätzinnen und ihre Nachkommen. Typische Orte, aufmerksamen Anwohnern und Tierschützern bekannt, sind Friedhöfe, verlassene Gartenanlagen, unbebaute Grundstücke, Ruinen, Industrieanlagen, Truppenübungsplätze etc. Nachteile für die Katzen: Inzucht bedingt hohe Rate an tödlichen Missbildungen bei Welpen, Populationsdruck erhöht Durchseuchung mit besonders für Jungtiere tödlichen Infektionskrankheiten und den Befall mit inneren und äußeren Parasiten - diese schwächen den Körper und bieten wiederum Angriffsfläche für Infekte.

Frage: Können freilebende Katzen Menschen mit Krankheiten anstecken?

Prinzipiell ja, dagegen spricht, dass sich freilebende Katzen meist vor Menschen verstecken. Allerdings suchen solche, die ihr Zuhause vor kurzem verloren haben, anfangs noch die Nähe des Menschen, vor allem wenn sie krank oder verletzt sind – das Tierschutzgesetz verpflichtet hier zum Helfen! Tierfreunde schützen sich dabei wirksam mit allgemeinen Hygienemaßnahmen wie Handschuhen, Händedesinfektion, Waschen und Desinfizieren von Decken und Kenneln. Zoonosen (von Tieren auf Menschen übertragbare Krankheiten) erfordern für eine menschliche Ansteckung engen und längeren Kontakt mit dem Tier (z.B. bei Landwirten, Tierschützern, Tierpflegern, Tierärzten) und/oder eine Abwehrschwäche des Menschen (Schwangere, Kleinkinder, kranke und alte Personen). Jedes Haustier (auch Nutztier) kann theoretisch Krankheiten übertragen, also auch jede frei oder in menschlicher Obhut lebende Katze! Dagegen hilft Wissen, richtiger Umgang und Hygiene. Zum Thema Tollwut: siehe Anlage „Faktencheck“. Liste der von Katzen übertragbaren Zoonosen: siehe Anlage, für unsere Region relevante Z. sind markiert.

Frage: Können freilebende Katzen meine Hauskatze anstecken, die Auslauf hat?

Ja. Freigänger in menschlicher Obhut werden im Idealfall durch Impfungen gegen die wichtigsten Infektionen (Katzenschnupfenkomplex, Katzenseuche, Tollwut) und vorsorgliche Maßnahmen gegen Parasiten geschützt und bei Bissverletzungen zur Behandlung dem Tierarzt vorgestellt. Bei freilebenden Katzen breitet sich aber zur Zeit das FIV-Virus (Felines Immunschwäche-Virus) aus. Das Virus wird durch Bissverletzungen übertragen. Dagegen gibt es keine Impfung! Die Erkrankung ist unheilbar und verläuft schleichend tödlich. Für Menschen nicht ansteckend – den Begriff „Katzenaids“ daher vermeiden!

Frage: Schadet Kastration meiner Katze/meinem Kater?

Ganz klar nein. Negative Folgen sind nicht bekannt. Gesteigertem Appetit nach Entfernung der Keimdrüsen kann durch Futterumstellung/Restriktion und Bewegungsspiele begegnet werden. Kastration bei Katzen beiderlei Geschlechts ist tierärztliche Gesundheitsvorsorge! (Katzen: weniger Gesäugetumoren/Eierstockzysten durch Dauerrolligkeit/ Gebärmuttervereiterungen, Kater: weniger Bissverletzungen und Verkehrsunfälle, beide: längere Lebensdauer!) Der Halter profitiert ebenfalls: Katzen werden häuslicher und anhänglicher, weniger Sorgen und Tierarztkosten und weniger störendes Verhalten wie Geruchsmarkieren, Unruhe, Rufen etc. Häufige Vorurteile in der Bevölkerung sind zu widerlegen: eine Kätzin muss nicht „einmal geworfen haben“ = Ammenmärchen! Ein Kater verliert nicht die Lebensfreude bei Verlust seiner Hoden = unsinnige Vermenschlichung!

 

Frage: Ist eine Kennzeichnung per Chip und Registrierung meiner Katze eine Gefahr für meinen Datenschutz?

Nein. Technisch gesehen handelt es sich beim Mikrochip für Tiere um einen Transponder, das heißt ein Gerät das nicht selbst sendet (z.B. den Aufenthaltsort des Tieres/Tierhalters!). Daher ist auch keine Batterie o.ä. erforderlich, und der Chip ist nur reiskorngroß (Implantation unter die Haut durch den Tierarzt ist für das Tier fast schmerzlos). Lediglich bei Kontakt mit einem speziellen Lesegerät (bei Tierärzten, Tierheimen) kann vom Transponder ein 15stelliger Zahlencode abgelesen werden. Name, Adresse und weitere Daten des Halters sind auf dem Chip nicht gespeichert. Eine Kennzeichnung des Tieres macht selbstverständlich nur Sinn, wenn eine gleichzeitige kostenlose Registrierung bei einem Haustierzentralregister (Tasso e.V., Findefix des DTB e.V.) erfolgt. Hier werden die Daten des Tieres und des Tierhalters gespeichert. Auf Wunsch des Halters werden dessen Daten vertraulich behandelt, das heißt ein Finder des Tieres hinterlässt beim Register seine Kontaktdaten, dieses benachrichtigt den Tierhalter der wiederum den Finder zurückruft und einen Kontakt nach Wunsch herstellt. Der Mikrochip darf nicht mit GPS verwechselt werden, er ist kein Mittel der Überwachung von Tier und Halter!

 

 

Koblenz, 05. 04. 2019

 

 

Quellen:

Kosmos Praxishandbuch Katzenkrankheiten, Dr. med. vet. Streicher, ISBN9783440127568

The Behaviour of the Domestic Cat, 2nd Edition, John Bradshaw et al., Cabi Wollingford UK

Zoonosen, 4. Aufl, Bauerfeind u.a., ISBN 9783769112931